„Teller Suppe“
„Eine ältere Dame kauft sich einen Teller Suppe. Behutsam trägt sie
die dampfende Köstlichkeit an einen Stehtisch und hängt ihre Handtasche
darunter. Dann geht sie noch einmal zur Theke. Sie hat den Löffel
vergessen. Als sie zum Tisch zurückkehrt, steht dort ein Afrikaner –
schwarz, kraushaar, bunt wie ein Paradiesvogel – und löffelt die Suppe.
Zuerst schaut die Frau ganz verduzt. Dann aber besinnt sie sich, lächelt
den Mann an und beginnt ihren Löffel zu dem seinen in den Teller zu
tauchen. Sie essen gemeinsam. Nach der Mahlzeit – unterhalten können sie
sich kaum – spendiert der junge Mann ihr noch einen Kaffee und
verabschiedet sich höflich. Als die Frau gehen will und unter den Tisch
zur Handtasche greift, findet sie nichts. Alles weg.
Also doch, ein gemeiner, hinterhältiger Spitzbube! Enttäuscht, mit
rotem Gesicht schaut sie sich um. Er ist spurlos verschwunden. Aber am
Nachbartisch erblickt sie einen Teller Suppe, inzwischen ist er kalt
geworden. Darunter hängt ihre Handtasche.“
„Teller Suppe“, ist von Manfred Zacher
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